Choräle von Martin Luther in Landstuhls Stadtkirche
von Walter Falk
Martin Luther war nicht nur ein Reformator, er machte neben der Bibel auch das Kirchenlied neu zugänglich. Vielleicht deshalb wurden viele Menschen mit der Lehre der Reformation erreicht. Unter Leitung von Heribert Molitor präsentierte der Kammerchor Landstuhl am Dienstag in der bis auf den letzten Platz besetzten protestantischen Stadtkirche Landstuhl Choräle von Luther, die von Dister, Bach oder Mendelssohn bearbeitet wurden.
„Wer singt, betet doppelt“, meinte Martin Luther. Die Sprache der Musik war für ihn eine eigenständige Form der Verkündigung. „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten herzhaft zu machen denn die Musik“, so beschrieb er die Kraft der Musik. Zeit seines Lebens war er ihr eng verbunden. Sie bereicherte sein persönliches Leben, der Reformator schätzte sie als „singende Verkündigung“. Damit legte er den Grund für den Reichtum und die große Wirkungsbreite protestantischer Kirchenmusik späterer Jahrhunderte, für das Schaffen von Bach, Mendelssohn und anderen Komponisten. Diesem Wirken ging der Kammerchor auf den Grund und stellte Kirchenlieder des Reformators vor, wie sie von späteren Komponisten bearbeitet wurden.
Mit Hugo Distlers Choral „Wer die Musik sich erkiest“ gab der Kammerchor schon mal gleich eine außerordentliche Kostprobe seines Könnens. Distlers Vokalkomposition, die durch die Vereinigung von Prinzipien vorwiegend barocker Vokalmusik mit rhythmisch und tonal neuartigen, vielfach äußerst freien Schreibweise geprägt ist, interpretierte das Ensemble mit schneidigem Tempo und bewies dabei eine erstaunliche Flexibilität der Stimmen. Besonders interessant war „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Hier stellte Molitor drei Bearbeitungen aus verschiedenen Zeitaltern gegenüber: mit Bach einen Barockmusiker, mit Distler einen zeitgenössischen Komponisten und mit Mendelssohn einen Romantiker.
Mit höchst erfreulichen Qualitäten waltete der Chor auf: unfehlbare Technik, gute Textverständlichkeit und vor allein ein natürliches Timbre. Bei den vitalen Interpretationen folgten die Sänger ihrem Chef bis ins kleinste Detail. Man war perfekt aufeinander eingestimmt. Frucht einer jahrzehntelangen gemeinsamen Arbeit. Besonders auffallend war die dynamische Gestaltung in der polyphonen Bearbeitung von Distler. Mit Sicherheit traf das Ensemble auch in den Bearbeitungen des Chorals „Aus tiefer Not“ von Mendelssohn und Bach den Charakter der Stücke. Eine ideale Balance zwischen dem strengen Historismus auf der einen Seite und der romantischen Emphase auf der anderen. Dabei gelangen sowohl die Gesamtarchitektur, als auch die Details der Phrasierung vortrefflich.
Die Intonationsreinheit, die Homogenität und die breite dynamische Palette zeugten von der Qualität des Kammerchors. Das wurde besonders deutlich in „Christe, du Lamm Gottes“ von Mendelssohn, das der Chor aus dem Pianissimo heraus behutsam anwachsen ließ. Bestechend war auch das Zarte Legato in Mendelssohns „Ach Gott, vom Himmel“. Peter Lattner war an der Orgel ein unspektakulärer, aber umso sympathischeres Begleiter, der es verstand, mit großer Zurückhaltung zu begleiten. Mit Texten zu Luther bereicherten Pfarrer Hermann Laubscher und Dirk Schröder das Konzert, das mit dem Reformationslied überhaupt, „Ein feste Burg ist unser Gott“, eindrucksvoll endete.
Landstuhl. Zu einer geistlichen Abendmusik hatte der Kammerchor Landstuhl am Reformationstag in die protestantische Stadtkirche Landstuhl eingeladen. Als Hommage an Martin Luther war dieser Liederabend gedacht, hatte doch der Reformator, als geübter Sänger und Lautenspieler, der neben Theologie auch Musik studierte, nicht nur die Bibel, sondern auch lateinische Gesänge ins Deutsche übersetzt. „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes. Sie vertreibt den Teufel und macht den Menschen fröhlich“, sagte Luther, in dessen Haus das Singen zum täglichen Ablauf gehörte. Aus seiner Feder stammen etwa 45 Lieder. Seine Wertschätzung der Musik wirkt auch heute noch auf die Zuhörer, wie die Werke von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Johannes Brahms oder die evangelischen Posaunenchöre beweisen.
Mit dem von Hugo Distler vertonten Gedicht Martin Luthers, „Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen, denn ihr erster Ursprung ist von dem Himmel selbst genommen“, eröffnete der Kammerchor unter der Leitung von Heribert Molitor den musikalischen Abend. An der Orgel saß Peter Littner, begleitende Texte zwischen den Liedvorträgen sprachen Pfarrer Hermann Laubscher und Dirk Schröder. In drei nachfolgenden Liedern, „Verleih uns Frieden gnädiglich“, „Aus tiefer Not“ und „Vom Himmel hoch“, brachte der Chor Luthers Liedtexte jeweils in den musikalischen Bearbeitungen der beiden Komponisten Bach und Mendelson-Bartholdy zu Gehör. Es folgten, einfühlsam vorgetragen, die Choräle „Nun komm, der Heiden Heiland“, „Gelobet seist du, Jesu Christ“, „Komm, Gott Schöpfer“, „Nun bitten wir den Heiligen Geist“ und „Nun freut euch lieben Christen“, vertont von J. S. Bach, „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“, musikalisch bearbeitet von Johannes Brahms und die beiden Choräle „Christe, Du Lamm Gottes“ und „Ach Gott, vom Himmel“, die von F. Mendelssohn-Bartholdy vertont wurden. Mit dem von Chor und Zuhörern gemeinsam gesungenen Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, das von Martin Luther geschrieben und vertont wurde und ein vertrauter Bestandteil des Reformationsfestes ist, zumal es auch immer wieder in Zeiten der Bedrängnis oder zum Bekenntnis des eigenen Glaubens gesungen wurde und wird, endete das offizielle Programm. Dem langanhaltenden Applaus der Konzertbesucher folgte als Zugabe „Verleih uns Frieden gnädiglich“, das Lied, das zum Beginn des Abends gesungen wurde und, wie Pfarrer Laubscher betonte, aktuell in der heutigen Zeit passt. (amk)