Die Rheinpfalz, 18.04.2017

Nach dem letzten Ton brandet Beifall auf

Ergreifend: Bachs Matthäus-Passion in Landstuhl
von Walter Falk

Schmerz und Verzweiflung. Reue und Buße, Trauer und Trost - das ist die Stufenleiter der Empfindungen, die in Bachs Matthäus-Passion zum Ausdruck kommen. Dieses unvergleichliche Werk führte der Kammerchor Landstuhl unter der Leitung von Heribert Molitor am Karfreitag in der Heilig-Geist-Kirche Landstuhl auf. Eine Veranstaltung, die wohl jedem Zuhörer tief unter die Haut ging.

„Ruhe sanft, sanfte Ruht'!“ verklang der Schlusschor des monumentalen Werks. Kaum war der letzte Ton verklungen, brach der Beifall los. Über 600 Besucher erhoben sich und erwiesen Heribert Molitor mit seinem Kammerchor, den Mitgliedern des Pfalztheaters und der Radiophilharmonie Kaiserslautern-Saarbrücken sowie den sechs Solisten ihre Reverenz. Fast dreieinhalb Stunden dauerte die Aufführung der Matthäus-Passion, sie war jedoch zu keiner Sekunde langweilig.

Schon die Wirkung des Eingangschors war überwältigend. Es war ein Wogen, ein Rufen und Fragen, das an den einstimmig als Cantus firmus vorgetragenen Choral „O Lamm Gottes unschuldig“ brandete. So entstand ein Tonbild von Reichhaltigkeit und Größe der Empfindung. Molitor lehnte sich hier an die realistische Ausdeutung Albert Schweitzers an, der dieses Tongemälde als eine Vision von Volkshaufen empfand. die sich durch die Straßen Jerusalems wälzen und erregte Zurufe austauschen. Diese Interpretation erwies sich als überzeugend. und sie bedingte, dass das Tempo alles andere als schleppend genommen wurde, damit eine tiefe Erregung zum Ausdruck kam.

Ein weiteres Beispiel für die exzellente Präsenz war die Gefangennahme Jesu, mit der der erste Teil der Passion schloss. Zwei großartige Tonstücke begleiteten die Vorgänge: das Duett (Daniela Schick Sopran, und Angela Lösch. Alt) mit dein Chor „So ist mein Jesus nun gefangen“ sowie der Schlusschor „Mensch, bewein dein Sünde groß“. Das wehmütige Klagen der beiden Solistinnen, die dem Zug der Gefangenen folgen, wurde durch die verzweifelt dazwischen geschossenen Staccati des Chors immer wieder unterbrochen. Molitor nahm hier ein höllisches Tempo vor und ließ den Chor gestochen scharf skandieren. Das erzeugte Gänsehaut. ebenso in den anderen herrlich intonierten Chorälen, wo der Sopran zum Teil höchste Höhen makellos erklomm.

Dramatischer Wucht begegnete man in den Massenchören. wenn das Lärmen der Menge durch sich überschneidende Kontrapunkte dargestellt wurde, beispielsweise wenn der Hass des Pöbels durch den Chor vermittelt wurde. Sowohl Solisten als auch das großartige Orchester fügten sich beispielhaft in diese Aufführung ein und trugen so zur formalen Ausgeglichenheit dieses Riesenwerks bei, in dem viele heterogene Elemente - der dramatische Passionsbericht und die leidenschaftlichen Volkschöre einerseits, die lyrisch verklärenden Arien andererseits - zu einem einheitlichen Ganzen werden konnten.

Zu den Höhepunkten des zweiten Teils gehörten die Altarie „Erbarme dich, mein Gott“ (Nummer 39) mit dem ausdrucksvollen Violinsolo sowie die Sopranarie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“ (Nummer 49, mit dem Solo der Querflöte), die als lichte Vision zwischen den leidenschaftlichen Kreuzigungs-Chören stand. Angela Lösch zeigte dabei mit den wunderschön weit geschwungenen Melodiebögen die ganze Wärme ihrer Altstimme, während Daniela Schick mit kristallklarer Tonreinheit und hervorragender Deklamation bestach. Dass Rainer Tetenberg ein gefragter Tenor ist, unterstrich er mit der Mühelosigkeit seiner Vokalbildung. wobei seine Intonation von außergewöhnlich heller, weicher und sanfter Textur war.

Als Jesus überzeugte der Bassist Christian Heib mit gewaltiger, entschlossener. nachtschwarzer Stimme, auch Bassist Vinzenz Haab hinterließ einen guten Eindruck. In das gute Gesamtbild passte auch Tenor Manuel Horras. Alle sangen sie mit Demut, bestachen mit hervorragender Artikulation und Wendigkeit der Stimmen und fügten sich so mit großer Bescheidenheit in das Gesamtkunstwerk ein, so dass sich über alles ein Schleier von Milde, Güte und Versöhnung ausbreitete, der den entscheidenden Grundton des Werkes bildete.


Wochenblatt, 19.04.2017

Ein imposantes Zeugnis Christlichen Glaubens

Kammerchor begeistert Konzertbesucher mit Bachs Matthäus-Passion

Matthäus-Passion 2017

Landstuhl. Stehende Ovationen, überschwänglicher Applaus und begeisterte Zurufe: So belohnte das Publikum den Landstuhler Kammerchor am Karfreitag für die ergreifende Aufführung der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach.

Es herrschte eine besondere Atmosphäre, während die Nachmittagssonne durch die Fenster der voll besetzten Heilig-Geist-Kirche schien und der Kammerchor sein Publikum vom ersten Ton an in den Bann zog. Mit der Aufführung der Matthäus-Passion hat sich Heribert Molitor, der Leiter des Kammerchors, einen lange ersehnten Wunsch erfüllt und auch die Sängerinnen und Sänger waren allesamt stolz, Teil dieser einmaligen und überaus berührenden Aufführung zu sein, die die Zuhörer über dreieinhalb Stunden durch ein Wechselbad der Gefühle führte. Die Matthäus-Passion gilt nicht nur als Gipfel der Passionsmusiken, sondern auch als Bachs umfangreichste Komposition und beeindruckt vor allem durch ihre religiöse Kraft, Größe und musikalische Erhabenheit, die die Leidensgeschichte Jesu Christi regelrecht greifbar macht. So trafen im Zusammenspiel des Chores und der sechs herausragenden Solisten Daniela Schick (Sopran), Rainer Tetenberg (Tenor), Vinzent Haab (Bass), Angela Lösch (Alt), Manuel Horras (Tenor) und Christian Heib (Bass) emotionale und kraftvolle Choräle auf gefühlvolle Arien. Begleitet wurden die Sänger dabei von einem großartigen Orchester, das aus Mitgliedern des Pfalztheaterorchesters und der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken/Kaiserslautern bestand. Vor allem die Mischung aus sanften, klagenden wunderschönen Melodien, die in den kraftvollen Chorstimmen, zum Beispiel in der Forderung von Jesu Kreuzigung, einen aufwühlenden und fast brutalen Gegenpart fanden, fesselte die Zuhörer auf ganz besondere Weise. Ein Höhepunkt der Aufführung war sicherlich die Darbietung des Todes Jesu Christi, bei dem die Kirche für einen Augenblick völlig still blieb, bevor der sehr traurige und bewegende Choral „Wenn ich einmal soll scheiden“ eindrucksvoll unter Beweis stellte, warum Bachs monumentales Werk eine so große Bedeutung für die Musikwelt hat. In jedem Fall hat das Konzert des Kammerchors eindrucksvoll gezeigt, dass Bachs Matthäus-Passion auch nach 290 Jahren nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat und auch der Zeitpunkt der Aufführung war perfekt gewählt, denn die Matthäus-Passion endet mit dem Begräbnis Jesu. Das Wunder der Auferstehung bleibt offen und so war das Konzert für die vielen Zuhörer eine wunderschöne Überleitung in die Osterfeiertage. (sw)



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