Nicht alles, was vollendet wurde, ist auch
vollkommen, und nicht alles, was unvollendet blieb, muss unvollkommen
erscheinen. Wolfgang Amadeus Mozarts Große Messe in c-Moll (KV 427) etwa gehört
- obwohl "nur" ein Fragment - zu den brillantesten Messvertonungen der
Musikgeschichte. Eine adäquate Umsetzung bedarf eines hochwertigen musikalischen
Personals. So wie jenes, das am Samstagabend in der Pfarrkirche St. Andreas in
Landstuhl eine untadelige Aufführung des Werkes präsentierte.
Zur Einstimmung in den
anspruchsvollen Abend intonierte zunächst Organist Stefan Kunz Bachs berühmte
Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565), die er in den dynamisch verhalteneren
Passagen aussagekräftig und voller sich übertragender innerer Teilnahme
präsentierte. In Mendelssohn-Bartholdys Hymne "Hör mein Bitten" war dann
erstmals an diesem Abend der Landstuhler Kammerchor in einer selbst in
verwinkelteren vokalen Partien starken Performance zu hören. Das machte
neugierig auf das ungleich schwieriger zu interpretierende Hauptwerk. Und die
Erwartung wurde nicht enttäuscht.
Insgesamt etwa 100 Mitwirkende, allen voran der Kammerchor
Landstuhl (Einstudierung Brigitte Maurer und Heribert Molitor) sowie der Chor
des Musikvereins 1840 Kaiserslautern und das Junge Vokalensemble Kaiserslautern
(beide Einstudierungen durch Ulrich Nolte) vermochten in ihrer starken
harmonischen Konzentration die Farbigkeit und Plastizität des monumentalen Werks
in nahezu allen seinen Passagen herauszuarbeiten. Gerade in jenen Teilen, in
denen sich die Vokal-Mitwirkenden zu einem achtstimmigen Doppelchor fulminat
vereinten - so etwa im gravitätisch umgesetzten "Qui tollis" und dann
insbesondere im Schlussteil - formten sich die Qualitäten der geballt wirkenden
Vokalisten zu einer schönen, runden Einheit. Je schwieriger der Part, desto
akkurater und ausdrucksstärker die Gesangsleistung, so schien es.
Gleiches gelang auch den
Mitgliedern des Rundfunksinfonie-Orchesters Saarbrücken, die dem ehrgeizigen
Werk Mozarts ein sicher tragendes instrumentales Rückgrat verliehen. In der
nicht ganz einfachen Begleitung des Sopran-Duetts im "Domine Deus"
beispielsweise erwiesen sich die Instrumentalisten als besonders verlässlich und
einfühlsam. Hier trugen sie dazu bei, die starken emotionalen Seiten der Messe
hervorzuheben.
Gerade diese eng
geführte Sopran-Partie verlangte von den darbietenden Sängerinnen hohe Kompetenz
und starke Konzentration. Ein Anspruch, den die Sopranistinnen Daniela Schick
und Elisabeth Hermann nach bereits vorangegangenen Soli nun auch im Duett
zeigten und dem sie ganz zum Schluss auch zusammen mit den nicht weniger fähigen
Sängern Jung-Baik Seok (Tenor) und Arnd Gothe (Bass) im Quartett gerecht
wurden.
Mozart hat seine Messe
nie fertiggestellt: Teile des "Credo" und das gesamte "Agnus Dei" fehlen. Im
Lauf der Jahrhunderte gab es etliche Versuche, das Werk im Sinne Mozarts zu
ergänzen - mit fragwürdigem Ergebnis. Die Landstuhler Aufführung indes hielt
sich ausschließlich an das vom Komponisten vorgegebene und erhaltene Material.
So mag das Werk, das einen Tag später auch in der Kaiserslauterer Kirche Maria
Schutz aufgeführt wurde, zwar unvollendet sein. Aber was ihm intern an Substanz
fehlt, ergänzten Dirigent Heribert Moilitor und die Künstler an diesem Abend mit
Gefühl und Kompetenz in der äußeren Umsetzung. Ein würdiger, mit viel verdientem
Applaus und einer Zugabe vollendeter vorläufiger Abschluss der Veranstaltungen,
bevor die Pfarrkirche St. Andreas wegen Renovierung geschlossen wird.